#11 Muss ich für meine Erben sparen oder darf ich mir selbst etwas gönnen? 

Muss ich für meine Erben sparen oder darf ich mir selbst oder natürlich auch schon vorher etwas gönnen? Gedanken höre ich laut ausgesprochen sehr häufig, wenn es um den Umgang mit dem lieben Geld geht.

Mit zunehmendem Alter scheint das Thema Geld dominant zu werden. Nein, nicht weil die Menschen nicht wissen, wie sie es ausgeben oder anlegen sollten. Eher, weil sie befürchten, nicht auszukommen. Im schlimmsten Fall zu verarmen. Auch wenn die Rente durchaus für ein gutes Auskommen reicht. Da bestimmt die Eventualität einer größeren Ausgabe durchaus schon Monate vor dem – wie gesagt eventuellen – Eintritt,   das Denken.

Was wird, wenn diese Ausgabe wirklich kommt? Hoffentlich ist sie nicht noch höher, als ich befürchte. Was, wenn noch etwas unvorhergesehen dazu kommt?

Ich rede hier nicht von den Menschen, die von einer minimalen Rente leben.

Hier ist wirklich die Rede von den Menschen, die ein normales Auskommen haben, die keine Reichtümer besitzen, aber eben auch mehr als die Mindestrente bekommen. Eine alte Dame, Paula, Ende 70, berichtete mir vor kurzem, dass Sie im März ihren alten PKW turnusgemäß beim TÜV vorstellen muss. Da sie immer nur kurze Strecken fährt, ist das Fahrzeug in den letzten zwei Jahren auch nicht viel km bewegt worden. Keine 5.000 km versichert sie mir. Das Auto steht in der Garage, wird gehegt und gepflegt. Dennoch hat sie Angst, dass es keine TÜV-Plakette mehr bekommt. Ist diese Angst begründet? Ich kann es nicht sagen. Vermutlich nicht. Doch in Ihrem Kopf drehen sich seit wirklich Monaten die Gedanken darum, dass das Auto eventuell keine Plakette mehr bekommt. Wie soll sie dann zur Arzt oder zum Einkaufen kommen?

Was hat das mit sich selbst etwas gönnen zu tun? Ganz einfach: Die alte Dame versagt sich alles, was ihr „Spaß macht und schmeckt“. Sie kauft gerade nur noch das Elementare an Lebensmitteln ein. Kleine Schmankerln, auf die sie Appetit hat, versagt sie sich. Vertagt sie auf später, wenn das Auto durch den TÜV gekommen ist. Wenn!

Von ihren Kindern wird sie bestärkt, sich etwas zu gönnen, auch mit ihren Freundinnen mal wieder einen Kaffee trinken oder auch mal essen zu gehen. Doch sie lehnt es ab. Auch mit der Begründung: „Dann wird mein Geburtstagsgeschenk für euch ja viel kleiner“. Hier erntet sie Unverständnis ihrer Kinder, die sich zwar über ein Geschenk freuen, aber es weder erwarten noch einfordern. Paula hat sogar vor kurzem noch eine Sterbegeld-Versicherung abgeschlossen, damit sie ihren Kindern nicht finanziell zur Last fällt, wenn es irgendwann einmal so ist. Die Kinder sagen ihr durchaus, du musst nicht für deine Erben sparen, gönn dir selbst etwas!

Sind Himbeeren Luxus?

Anders als eine andere ältere Dame. Nennen wir sie Rita, sie ist Anfang 70. Finanziell geht es ihr ähnlich gut wie Paula, allerdings hat sie kein Auto, dass über den TÜV muss. 😉 Auch Rita hat Kinder und Enkel. Rita näht und strickt für die Enkel, richtet insgesamt ihr Leben sehr nach den Kindern aus. Mittlerweile entwickelt sie Unwohlsein, wenn sie für sich selbst etwas kaufen möchte.

Für ihr Leben gern isst sie Himbeeren, am liebsten jeden Tag ein Schälchen. Kommt ihre Tochter aber kurz nach einem Einkauf bei ihr vorbei und sieht, dass Rita sich Himbeeren gekauft hat, macht sie ihr eine Szene. Ob das denn sein müsse, dass sie jeden Tag so teures Obst esse? Es täte doch auch ein Apfel oder eine Banane.

Als ich von dieser Geschichte hörte, wurde mir flau im Magen. Rita kann es sich leisten, täglich ein Schälchen Himbeeren zu kaufen. Warum soll sie es also unterlassen? Will sie sich ein Kleidungsstück oder vielleicht mal Deko für ihre Wohnung kaufen, machen die Kinder ein noch größeres Fass auf. Rita würde ihr Geld verprassen, sie solle lieber sparen.

Es ist weder so, dass Rita in teurer Designer-Kleidung herumläuft, noch sich jede Woche etwas Neues kauft. So nebenbei – selbst, wenn sie es täte, was wäre so schlimm daran? Solange Sie sich in ihrem finanziellen Rahmen bewegt, ist es doch ihre Entscheidung.

Nicht nur das. Sie würde etwas für sich tun, es sich gut gehen lassen. Doch die Kinder haben offensichtlich Angst, dass entweder für sie am Ende nicht genüg übrigbleibt oder sie in irgendeiner Form für die Mutter aufkommen müssen. Muss ich für meine Erben sparen?

Sind wir unseren Kindern verpflichtet, ein Erbe zu hinterlassen?

Meine persönliche Meinung ist hierzu ein klares Nein. Meine Urgroßmutter, die ich dankenswerter Weise noch bis zu meinem 12. Lebensjahr erleben durfte, sagte immer: „Ich gebe lieber mit warmen Händen“. Damit war sie sicherlich kein Einzelfall. Auch ich schenke und gebe sehr gerne. Und erfreue mich daran, wenn sich die Beschenkten freuen.

Wenn ich solche Geschichten von Rita und auch von Paula höre, die ja nur Platzhalterinnen für viele andere sind, werde ich betroffen. Die einen, die sich selbst nicht wichtig genug nehmen, sich auch mal etwas zu gönnen, Spaß im Leben zu haben, gut für sich selbst zu sorgen. Und andere wiederum, die mit Sicherheit auch immer alles für ihre Kinder getan haben und von denen nun gefordert wird, dass sich Vater oder Mutter auch weiterhin zurücknehmen, damit sie, die Kinder alles bekommen können.

Ich habe lange darüber nachgedacht, wo dieses Verhalten der älteren Generation, sich zurückzunehmen und sich selbst nichts gönnen zu können, wohl herkommen mag. Bis ich ein sehr aufschlussreiches Buch gelesen habe. „Die geprügelte Generation“ von Ingrid Müller-Münch.

Ingrid Müller-Münch schreibt hier sehr einfühlsam und zugleich ehrlich darüber, wie die Generation unserer Eltern und Großeltern im 20. Jahrhundert erzogen wurden. Es macht so deutlich, aus welchem Grund unsere Eltern oder Großeltern so agieren wie sie es tun. Sie wurden vielmals klein gehalten, sie und ihre Wünsche, Träume oder Ziele wurden klein gemacht, negiert oder schlichtweg boykottiert. Wenn wir von klein auf keinen Menschen haben, der uns zeigt, wie wichtig und wertvoll wir sind, dann lernen wir das im Alter nur schwer.

Möchten diese Kinder, denen eben oftmals signalisiert wurde, dass sie nur wenig wert sind, Ihre eigenen Kinder umso großzügiger erziehen, erleben wir Situationen wie im Falle Rita. Die Kinder sollen es mal besser haben. Bekommen alles, was sie möchten und irgendwann bekommen Sie Angst, wenn die Eltern oder Großeltern sich etwas gönnen und ihr eigenes Geld ausgeben. Hierzu hörte ich vor einiger Zeit einen Satz, der mich sehr nachdenklich machte. Die Eltern erzählten der (gutsituierten) Tochter, sie würden auf eine längere Kreuzfahrt gehen. Die Tochter entgegnete im vollen Ernst: „Muss das sein? Ihr verprasst mein ganzes Erbe.“ Nein, es war nicht im Spaß oder nur ansatzweise scherzhaft gemeint. Müssen wir wirklich für unsere Erben sparen?

Sich selbst etwas Gutes tun

Wenn wir uns selbst etwas Gutes tun, im Kleinen wie im Großen bedeutet es doch immer, dass wir uns selbst wertschätzen, uns selbst lieben. Deswegen sollten wir uns auch die Erlaubnis geben, uns selbst etwas Gutes zu tun. Egal wie alt wir sind. Wir müssen nicht für unsere Erben sparen! Wir leben nur einmal und wir sind es wert.

 

Herzlichst

Ihre

Britta von der Linden